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von Shelagh Stephenson
„Worüber reden Menschen normalerweise, wenn ihre Mutter gerade
gestorben ist?“ Noch dazu, wenn sie drei Schwestern sind, wie sie
unterschiedlicher nicht sein könnten, wenn der Bestattungsunternehmer
gar nicht und die Männer zur falschen Zeit erscheinen…
Kaleidoskopisch strömen Gefühle und Erinnerungen auf die Figuren ein, denn jede
hat ihre eigene Wahrheit - und die Vergangenheit prägt ihre Gegenwart,
ob sie es zulassen oder nicht. Komisch und tiefgründig sind die schwarzen
und wortgewaltigen Sprachschlachten der britischen Autorin Shelagh Stephenson,
deren Erkenntnis lautet: „Nichts verschwindet spurlos“.
Vi
Jutta Hatzold
Theresa
Barbara Chlumsky
Mary
Corinna Westphal
Catherine
Barbara Denk
Frank
Peter Spies
Mike
Martin Weidmann
RegieKarin Spangenberg
BühnenbildThomas Eggart
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Nachdenkliche Komödie
„Gedächtnis des Wassers“ im Bürgerhaus Gröbenzell
Gröbenzell - Wer bist Du, wenn Du keine Erinnerungen mehr hast? Diese Frage beschäftigt die drei Schwestern, die sich in Shelagh Stephensons bekanntem Stück „Das Gedächtnis des Wassers“ nach dem Tod der Mutter treffen, um deren Beerdigung vorzubereiten. Jede Schwester hat ihre ganz eigenen Erinnerungen an die Mutter und die gemeinsame Kindheit.
In ihrer gelungenen Inszenierung des tragikomischen Stücks für das Theater in Gröbenzell (TIG), das am Wochenende im Bürgerhaus Premiere hatte, ist es der Regisseurin Karin Spangenberg vor allem gelungen, drei herausragende Schauspielerinnen für die Rollen der Schwestern zu finden. Corinna Westphal überzeugt als erfolgreiche Ärztin Mary, die hinter ihrer kühlen, abgeklärten Fassade unerfüllte Sehnsüchte nach einer Familie verbirgt. Barbara Chlumsky spielt Teresa, die noch immer die stets verlässliche große Schwester ist. Sie blieb am Ort, heiratete einen verlässlichen Mann und betreute die Mutter. Sie hat die Zügel in der Hand. Barbara Denk schließlich ist das Nesthäkchen Catherine, ausgeflippt, extrovertiert bis zur Unerträglichkeit, doch nur scheinbar sorglos.
Mit diesen drei steht und fällt das Stück in Gröbenzell. Nicht nur, weil die englische Autorin Stephenson ihnen Dialoge voll bissigem Wortwitz in den Mund gelegt hat. In ihrem Spiel gelingt es Westphal, Chlumsky und Denk geschickt all jene Situationen zu erschaffen, die der Zuschauer aus der eigenen Familie kennt. So zum Beispiel „das große Tribunal“, wie Mary die Vorwürfe nennt, sich nicht genügend um die Mutter gekümmert zu haben. Außerdem glaubt Teresa, dass ihre Schwestern ihre Kindheit positiv wie negativ verklären würden. Doch auch sie erinnert sich nicht immer korrekt. Und überdies würde Mary ihre Ähnlichkeit mit der Mutter leugnen. Diesen Vorwurf erhebt die Tote (Jutta Hatzold) selbst, als sie der Tochter wiederholt im Schlaf erscheint.
Ungewollte Komik
Zwischen all dem tauchen schließlich noch Teresas Mann Frank (Peter Spies) und Marys Liebhaber Mike (Martin Weidmann) auf. Sie sind ganz eindeutig zur falschen Zeit am falschen Ort und sorgen für ungewollte Komik. Für ein befreiendes Lachen im Publikum reicht es nicht, denn zugleich decken sie auch lang gehegte Lebenslügen auf. Das Gefühl der Betroffenheit verstärkt sich dadurch, denn all das Spiel fußt immer deutlicher in der alltäglichen Realität. Und so fällt der Beifall im Bürgerhaus am Ende zwar anerkennend anhaltend aber doch gedämpft aus. „Das Gedächtnis des Wassers“ ist ein Stück, das den Theaterbesucher auch auf dem Nachhauseweg nicht gleich loslässt.
Ann-Katrin Grosse, Süddeutsche, 7. März 2007